
Lente. Werke von Arvo Pärt (Berliner Messe, Stabat Mater, Festina Lente, Trisagion, Silouan’s Song); Estonian Philharmonic Chamber Choir, Concerto Copenhagen, Tõnu Kaljuste (2024); Berlin Classics
Das auf Barockmusik spezialisiertes Originalklangensemble Concerto Copenhagen präsentiert zeitgenössische Musik von Arvo Pärt. Nicht unbedingt eine naheliegende Konstellation, aber wenn man in Arvo Pärts „Berliner Messe“ die vibratrolos spielenden Musiker zusammen mit dem kristallin singenden Estonian Philharmonic Chamber Choir hört, erlebt man das archaisch anmutende Kyrie, als hätte man ein Ars-nova-Motette von Machaut vor sich. So sehr reiben sich die Klänge und vereinigen sich später wieder im Wohlklang wie in dem jubelnden Credo, das die Streicher mit kräftigen, wie hingeworfenen Akkordstrichen unterstützen, auch das eine Art von Archaik. Arvo Pärt ist eben nicht nur der Minimalist der Tintinnabuli-Figuren, sondern auch ein mit historischen Genres jonglierender Strukturalist.
Unter den Instrumentalstücken ist besonders „Festina lente“ interessant, komponiert nach Art eines Proportional-Kanons, in dem die Melodie in verschiedenen Geschwindigkeiten abläuft und so eine besondere Polyphonie kreiert, die bei Concerto Copenhagen immer klar erkennbar bleibt, ohne dass die beruhigende Klanglichkeit der Musik geopfert würde. Der Dirigent Tõnu Kaljuste, seit Jahrzehnten vertraut mit der Musik von Pärt, verfolgt, unterstützt von den dramaturgischen Ambitionen des Kopenhagener Barockorchesters, einen hochinteressanten Zugang zu dem Werk des fast 90-jährigen estnischen Komponisten.
Richard Lorber
Musik: ****
Klang: ****