Manon im Glitzersalon Carolina López Moreno (Manon Lescaut) in Köln © Sandra Then

Puccini, „Maon Lescaut“ in Köln

Als Carolina López Moreno in der Titelrolle ihre Arie „In quelle trine morbide“ im 2. Akt, wo sie der Zeit mit Des Grieux nachtrauert, in ein intensives Piano kleidete oder vorher bei „Eppur lieta, assai lieta“, wo sie in einer gefühlvollen Kantilene, umwoben von einer Flötenmelodie, sich an ihre unbeschwerte Jugend erinnerte, deutete sich schon an, dass ihr großer Schlussauftritt „Sola, perduta, abondonata“ etwas Besonderes werden könnte.

Dort kniet sie – anstatt in der Wüste Louisianas – in einer Industriebrache und lässt ihre „furchtbare Vergangenheit“ Revue passieren, zunächst noch im warm getönten „Ahimé, son sola“ bis zum gewaltigen Ausbruch „Non voglio morir“. López Morenos Stimme ist im Piano tragfähig, von einem schönen Timbre, niemals brüchig, und in den dramatischen Ausbrüchen von großer raumfüllender Präsenz, niemals schrill. Sie kleidet jeden Ausdruck auch bei Schmerzens- oder Verzweiflungsschreien in stimmlichen Wohlklang, ohne ins Kitschige abzugleiten. Eine Darstellung der Titelpartie, wie man sie nur von den größten Sängerinnen in Erinnerung hat.

Unterstützt wurde sie – und alle anderen –  von Andrés Oroczco-Estrada, dem neuen Generalmusikdirektor Kölns, der die Partitur bis ins Kleinste in den szenischen Details modellierte. Das Puccini-typische, rasch anschwellende Forte mit einem subito Piano, das unversehens in eine andere Klangwelt führt wie bei „Labbra adorate e care“, als Manon und Des Grieux wieder versöhnt sich küssen, die feinen Rubati und dynamischen Schweller im Madrigal im 2. Akt, wodurch das Geschehen musikalisch ironisiert wird oder das stampfende Tutti, das einem orchestralen Wutausbruch gleicht, als Des Grieux gewahr wird, dass sich Manon in ihrer Luxusversessenheit nie ändern wird. Das alles machte Orozco-Estrada zu einer hörbar musikalisch-szenischen Darstellung, mehr als es auf der Bühne zu sehen war.

Letzteres war auch die Stelle, bei der Gaston Rivero als Des Grieux mit seiner Rolle in Einklang stand, den richtigen Empörungston fand und sein Schauspiel verständlich wurde, während er sonst eher operettenhaft, schlaksig spielte und man ihm neben der Ernsthaftigkeit Manons ein ehrliches Berührtsein nicht abnehmen konnte. Cristian Saitta machte aus der Figur des Geronte einen ältlichen Liebhaber nach Commedia dell’arte-Manier, stimmlich ein unterhaltsamer Buffo und darstellerisch ein falstaffartiger Tollplatsch.

Manon wird in Carlos Wagners Inszenierung als ein Sexgirl in Gerontes Pariser Anwesen gehalten, ihr Bruder Lescaut (Insik Choi mit schöner Diktion) macht entsprechende Fotos von ihr. Statt Menuettschritte einzuüben, wird sie im Poledance unterrichtet. Die boulevardeske Wirtshaus-Komik des 1. Akts mündet nun in eine Dokumentation offener Frauenfeindlichkeit, selbst bei Des Grieux, der Manon mit ihrer Domina-Gerte peitscht und noch drastischer im 3. Akt, wenn die Frauen nach Amerika verfrachtet werden und sich in einer demütigenden Prozedur ihrer Kleidung fast vollständig entledigen müssen. Carlos Wagner verlängert diese Darstellung offener Misogynie in den vierten Akt hinein (übrigens wird das an die Musik Wagners erinnernde Intermezzo vom 3. Akt – dramaturgisch plausibel – hierher geschoben). Dort sieht man nicht nur Manon und Des Grieux in der Ödnis Amerikas, sondern auch die traumatisierten Frauen mit starren Blicken.

Das Leitmotiv von Carlos Wagners Inszenierung ist ein Karussell, das sich von der Jahrmarktsattraktion, zur Cabaretbühne, zum Gefängnisrund und am Schluss zum niedrigen Mauerrund wandelt und ein Glücksrad genauso symbolisieren soll wie die Vergeblichkeit einer Flucht in ein nie erreichbares Glück.

Premiere: 28. September 2025, besuchte Vorstellung: 19. Oktober 2025

Besetzung:
Manon Lescaut: Carolina López Moreno
Lescaut: Insik Choi
Des Grieux: Gaston Rivero
Geronte di Ravoir: Cristian Saitta
Edmondo: Vasyl Solodkyy
u.a.

Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln

Musikalische Leitung: Andrés Orozco-Estrada
Inszenierung: Carlos Wagner
Bühne: Philipp Schlößmann
Kostüme: Jon Morell
Licht: Nicol Hungsberg
Chor: Rustam Samedov
Dramaturgie Stephan Steinmetz