Benjamin Britten – „The Turn of the Screw in Trier“
„The Turn of the Screw“ von Henry James gehört in die Tradition der englischen Gothic Novels, allerdings psychologisch so verfeinert, dass sich das Schaurige, die Bedrohungen der Kinder Miles und Flora durch die Geisterscheinungen der verstorbenen Hausangestellten Quint und Miss Jessel nur erahnen lassen. Dem entspricht Brittens Oper als eine lose Folge von zweimal acht Szenen ohne eigentlichen Handlungsfaden. Trotz dieser offenen Dramaturgie erlebt die neue Gouvernante die Situationen als zunehmend bedrohlich von der noch herzlichen Ankunft im Landsitz Bly bis zum Tod des Jungen Miles, den sie eigentlich vor dem Zugriff des geisterhaften Quint retten wollte. Die Regisseurin Sandra Leuphold hat am Theater Trier eine szenische Entsprechung zu dieser Offenheit gesucht und überraschenderweise eine leere Bühne gewählt, bei der man sogar in die unverstellten Seitengassen blickt.
Nur in der Mitte hat der Bühnenbildner Flurin Borg Madsen Latexbahnen gespannt, die später reißen und eine überdrehte, zu fest angezogene Schraube symbolisieren sollen. Die Geisterwesen Quint und Miss Jessel sprühen vor jedem Auftritt selbst etwas Nebel in die Szene. Bei Szenenwechseln huschen die Protagonisten wie ferngesteuert auf die Bühne und sortieren sich auf ihren Auftrittspositionen. Und die Szenenwechsel selbst werden durch harte Lichtschnitte markiert exakt parallel zur musikalischen Gliederung, bei der vor jeder Szene ein Zwischenspiel platziert ist.
Die Szenerie atmet den Geist einer Werkstattbühne und eines Puppentheaters, denn die Kinder Miles im von Anja Jungheinrich geschneiderten Matrosenkostüm und Flora in weißen viktorianischen Rüschenhosen bewegen sich immer etwas ungelenk. Lara Rieken als Flora singt bewusst mädchenhaft mit unmodelliertem Sopran und der Countertenor Jens Ginge Skov als Miles musste sowieso kein Vibrato unterdrücken.
Er bildete übrigens als ausgewachsener Jüngling das Objekt der Begierden sowohl der Gouvernante (was man nur ahnen konnte) als auch von Quint, den Sandra Leuphold etwas frei, aber plausibel als Alter ego von Benjamin Britten deutete, wenn zu Beginn des 2. Aktes eine Reihe von Fotos eingeblendet werden, auf denen Britten umgeben von Knaben zu sehen ist, von denen eines genau die Pose zeigt, die Quint und Miles auf der Bühne einnehmen.
In dieser Szenerie ohne konkrete Räume, weder einen Landsitz noch Garten, See oder der Kirchgang gibt es, findet alles innerhalb eines imaginären Kreises statt, der durch die Latexbahnen angedeutet wird. Sandra Leuphold hat im Programmheft einen klugen Aufsatz über die sexuellen Verwicklungen, Projektionen und Begierden geschrieben, die sich aus dem Libretto ableiten lassen. Auf der Bühne gibt es dazu nur gelegentliche Andeutungen. Die Regisseurin vertraut auf die Magie, die gerade auch ein einfaches Theater entfalten kann. Das Publikum wird auch ohne Illusionseffekte hineingezogen wie auch die Gouvernante selbst, die ebenso zu den Betrachtern gehört und einmal sogar aus dem Parkett singt. So karg sie Szene ist, es fehlt tatsächlich nichts.
Neben den Kinderrollen zeigte auch der Tenor Derek Rue als Quint starke stimmliche Präsenz, besonders bei den Melismen in der Nachtszene, wo er sirenenhaft auf den Jüngling Miles einsingt, und Silja Schindler als Miss Jessel in ihrem ausdrucksvollen Lamento, das sie an die Gouvernante richtet. Janja Vuletic als Haushälterin Mrs Grose platzierte sich stimmlich und spielerisch geschickt – mal emphatisch, mal lakonisch – zwischen der Welt der puppenhaften Kinder und der Gouvernante, die immer im Zentrum steht. Aber Eva Maria Amann konnte der Figur nur dann Profil geben, wenn die Regisseurin sie an die Rampe schickte, wo sie ihre Verzweiflungstöne singen konnte. Die vielen reflektierenden Passagen, wenn sie sich entschließt, das Landgut wieder zu verlassen oder nachdenkt, warum Flora sie hasst, verklangen im textunverständlichen Ungefähren. Dazu mag die nach allen Seiten offenen Bühne beigetragen haben. Aber auch das über weite Strecken verwaschen klingende Orchester unter Wouter Padberg, das wenig von der kammermusikalischen Prägnanz in Brittens Partitur umsetzen konnte, war keine Unterstützung für die Sänger.
Premiere: 13. September 2025, noch bis 19.11.2025
Besetzung:
Gouvernante: Eva Maria Amann
Miles: Jens Ginge Skov
Flora: Lara Rieken
Mrs Grose: Jana Vuletic
Quint: Derek Rue
Miss Jessel: Silja Schindler
Der Onkel und Vormund, stumme Rolle: Octavio Maytin
Philharmonisches Orchester der Stadt Trier
Musikalische Leitung: Wouter Padberg
Inszenierung: Sandra Leupold
Bühne: Flurin Borg Madsen
Kostüme: Anja Jungheinrich
Licht: Fabian Grohmann
Dramaturgie: Malte Kühn