
Puccini, „Madama Butterfly“ in Linz
„Madama Butterfly“ ist eine anrührende Oper. Das Schicksal der arglosen Geisha Cio-Cio-San, die den leichtlebigen Marineoffizier Pinkerton unbedingt liebt, der sie nur zum Schein geheiratet hat, macht jeden Zuhörer betroffen, auch ohne japanischen Blüten-Exotismus und imperialistisch-amerikanisches Gehabe. Wenn Isabel Ostermann bei Ihrer Inszenierung in Linz die Geschichte aus der Perspektive einer alleinerziehenden Mutter erzählen will, die sich vorher aus den Zwängen ihrer Herkunftsfamilie befreien wollte, trifft sie nicht den emotionalen Kern des Stücks. Dass die Aufführung dennoch zu Herzen ging, lag an Joanna Zawartko, der überragenden Sängerin der Madama Butterfly.
Besonders im 2. Akt, als Cio-Cio-San die Wiederkehr von Pinkerton herbeisehnt, kleidet Zawartko „Tornerò colle rose alla stagion serena“ („Wenn die Rosen blühen, kehre ich zurück“) in sanfte und schöne Piano-Töne, um wenig später „Tutto questo avverrà, te lo prometto“ („Dass das alles eintrifft, verspreche ich Dir“) glutvoll energisch in den Raum zu setzen. Dass sie äußerlich so gar nicht zerbrechlich wirkt und von der Kostümbildnerin Julia Burkhardt in einen unauffälligen Casuallook gesteckt wurde, und das Ganze in einem Ambiente stattfindet, in dem zahllose Schreibtischlampen eine Sitzgruppe in Kindergröße bestrahlen, spielt bei Puccinis alles überlagernde Musik keine große Rolle.
Einen bildlichen Emotionsgehalt liefern in Linz eigentlich nur die Videoeinblendungen, in dem von Sabine Mader geschaffenen abstrakten Raum mit weißen Wänden und einer leicht erhöhten Spielfläche auf einem niedrigen Podest: am Anfang ein leicht bewegter Meeresstrand, in der einzigen Liebesnacht von Butterfly und Pinkerton, eine überdimensionale Projektion von Mikroskop-Aufnahmen von Quallen – gewissermaßen als kreatürliche Ursuppe – und am Schluss vor dem Abschied von dem gemeinsamen Sohn, eine an eine biblische Szene erinnernde Fußwaschung eines Kindes. Der Sohn als stumme Rolle wird von der Regisseurin zu einer pantomimischen Hauptfigur aufgewertet. Er ist eine Art traumatisierter Jüngling, der gegenüber Cio-Cio-San auch Aggressionen auslebt.
Leider erreichen die anderen Darsteller nicht ganz das Niveau von Joanna Zawartko. Carlos Cardos als Pinkerton hat zwar eine klare Tenorstimme, singt in seinem blauen Freizeitblouson aber immer mit etwas zu viel Druck, Adam Kim als Konsul Sharpless lässt sein sonores Baritontimbre sehr gleichförmig fließen, obwohl Puccini der Partie ja auch Möglichkeiten der Erregung und des Protests gegen Pinkerton zugewiesen hat. Und Angela Simkin als Dienerin Suzuki (an diesem Abend wegen Allergie um Nachsicht bittend, was man aber nicht gemerkt hat) war auch musikalisch so etwas wie eine treue Begleiterin von Zawartko. Sehr schön gelang Ihnen das Duett „Gettiamo a mani pieni“, in dem sie und Madama Butterfly im Parallelgesang vom Blumenstreuen singen.
Der Dirigent Ingmar Beck führte das Orchester feinnervig durch den Abend, deckte auch bei den aufbrausen Forte-Stellen die Solisten nicht zu, gestaltete das lange Intermezzo zwischen dem 2. und 3. Akt mit dem symphonischen Ernst einer Wagner-Oper und konnte bei „Or vien mi ad adorno“, als Cio-Cio-San sich für die fatale Rückkehr von Pinkerton schmückt, zarte, tastende und im Piano differenzierte instrumentale Kommentare zum Geschehen abgeben.
Besuchte Vorstellung: 01. 05. 2025, Premiere: 07.12.2024, noch bis 02. 07. 2025
Besetzung:
Cio-Cio-San, genannt Madam Butterfly: Joanna Zawartko
Suzuki: Angela Simkin
Benjamin Franklin Pinkerton: Carlos Cardoso
Sharpless: Adam Kim
Goro: Christian Drescher
Der Fürst Yamadori: Alexander York
Kate Pinkerton: Tina Josephine Jaeger
Onkel Bonzo: Gregorio Changhyun Yun
Cio-Cio-Sans Kind: Maximilian Fischer / Luca Zavatti
Chor des Landestheaters Linz
Damen des Extrachores des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz
Musikalische Leitung: Ingmar Beck (Premiere: Patrick Lange)
Inszenierung: Isabel Ostermann
Bühne: Sabine Mader
Kostüme: Julia Burkhardt
Video: Carolin Röckelein
Dramaturgie: Anna Maria Jurisch
Chorleitung: Elena Pierini, David Barnard (Extrachor)
Choreografische Beratung: Yuko Harada