Schweizer Fonogramm

Joachim Raff: „Samson“; Magnus Vigilius, Olena Tokar, Robin Adams, u. a., Chor der Bühnen Bern, Berner Symphonieorchester, Philippe Bach (2023); schweizerfonogramm

Mit seinen 11 Symphonien und seiner Kammermusik ist der Schweizer Komponist Joachim Raff auf dem Tonträgermarkt gut vertreten, nicht aber mit seinen Opern. Dabei hatte er da einen besonderen Ehrgeiz und wollte Richard Wagner mit dessen Mitteln schlagen, wie er in einem Brief während der Arbeit an seiner Oper „Samson“ in den 1850er Jahren bekundete. Raff, der Liszt bei der Uraufführung von „Lohengrin“ in Weimar assistierte, wollte eine Synthese aus dem historischen Realismus der Opern Meyerbeers und dem Wagner’schen Musikdrama erreichen. So sind in „Samson“ alle biblischen Wunder ausgespart und der israelische Held wird Opfer einer politischen Intrige mit Delilah als Werkzeug der Philister.
Eine sehr lesenswerte Entstehungsgeschichte und musikgeschichtliche Einordnung findet sich in der hervorragenden Booklet-Dokumentation der in Bern entstandenen Weltersteinspielung von „Samson“, der 2022 eine späte Uraufführung in Weimar vorausgegangen war. Auf diese Weise mit hohen Erwartungen gerüstet, fällt das Hörerlebnis freilich deutlich ab, vor allem weil Magnus Vigilius als Samson und Olena Tokar als Delilah in den beiden Hauptrollen mit ihren mal gepressten Kraftanstrengungen, mal waberndem Vibrato selbst im Liebesduett des dritten Aufzugs so gar nicht berühren und den vielen Massenszenen keine Intimität entgegensetzen.
Vom Schlachtengemälde am Anfang bis zum Tempelsturz am Schluss, verästelt sich das Drama in vielen Details, die dazu dienen, Samsons Liebesverhältnis zu Delilah zu begründen, und als Zuhörer kann man leicht den Überblick verlieren trotz spektakulärer Szenen wie der Blendung des Samson und trotz aller Bemühungen von Philippe Bach am Pult des Berner Symphonieorchesters um Plastizität.
Richard Lorber

Musik *** Klang ***